Wir brauchen mehr Social Media

Dass Social Media auch schnell mal negativ sein kann, ist ja klar. Aber es hat ja auch sehr positive Seiten.
So viele sogar, dass wir meiner Meinung nach noch viel mehr brauchen. Wir müssen wieder in die Kommentarsektionen in Blogs. In Foren zu bestimmten Nischenthemen. Und natürlich auch zu den Mainstreammedien um einen gemeinsamen Kontext herzustellen.

TL;DR:
Wir brauchen mehr Konkurrenzprodukte zu Facebook, Youtube und Co, denn die Monopolisierung von meinungsbildenden Faktoren führt zu Problemen.

Was ist Agenda Setting?

Agenda Setting ist ein Sammelbegriff für die Beeinflussung der Medien auf das, was Rezipienten denken. Erstmal aufgetaucht ist der Begriff 1972 seit McCombs und Shaw im Zuge ihrer Forschungen zu Präsidentschaftswahlen und der in der Öffentlichkeit wahrgenommenen und diskutierten Themen.
Grundlage ihrer Theorien bildete die Arbeit von Bernard C. Cohen (1963), welcher die These entwickelte, dass Medien zwar nicht explizit beeinflussen könnten, was Individuen über ein Thema denken, jedoch durchaus worüber überhaupt nachgedacht wurde.

Alles zu dem Thema aufzudröseln würde hier jetzt zu weit führen. Die ursprünglichen Studien stehen aufgrund ihrer methodischen Unsauberkeiten in Kritik, jedoch ist der Effekt durchaus anerkannt und zu beobachten.

Was Social Media damit zu tun hat

Eine Gegenthese zum Agenda Setting ist, dass letzten Endes die Öffentlichkeit beeinflusst, worüber in den Medien gesprochen wird. Dieser bottom-up-Beeinflussung der Medien wird von Social-Media immer als Vorteil verkauft.

Geht die #tidepodchallenge oder #mentalhealth weltweit viral, wird schließlich darüber in den traditionellen Medien berichtet.

Aber!

Es gibt im Grunde zwei Extreme:

  1. Totale Themenbestimmung der traditionellen Medien. Das Individuum denkt nur über Themen nach, welche „vorgestellt“ werden. Durch Framing wird eine bestimme Meinung etabliert. (Oh oh, klingt ja gemeingefährlich)
  2. Totale Unabhängigkeit der ausgesuchten Themen, mit denen sich das Individuum beschäftigt. (Ist das eventuell besser?)
    In beiden Fällen besitzt die Instanz, welche Medien erstellt/zusammenstellt eine meinungsgebende Macht.
    Lange wurde argumentiert, dass Social Media Themen, Content und News komplett auf eine Ebene „demokratisiert“.
    Ich kann schließlich nach allem suchen, was ich möchte.
    .
    .
    .
    …mach ich nur nicht.
    Die Betreiber der Plattformen „schubsen“ mich mit tendenziellen Neigungen in Richtung bestimmer Themenkomplexe (zB rechte Spalte bei Youtube).
    Listet Youtube zum Beispiel generell Videos zu Umweltschutz eher „weiter unten“ wird damit eine Thematisierung wieder schwieriger.

Das eigentliche Problem ist, dass diese Medienportale und damit auch Einflussfaktoren von Meinungen und Interessen mittlerweile (wieder) undurchsichtiger geworden sind. Konnte man früher noch davon ausgehen, dass alle dieselbe Ausgabe der New York Times gelesen haben, gibt es das jetzt nicht mehr.

Das spielt den Betreibern der Portale in die Hand. Wo keine Nachvollziehbarkeit gegeben ist, ist es leichter, Einfluss zu nehmen.
Es gab zum Beispiel mehrere Fälle bei TikTok bei denen bekannt wurde, dass eine politische (nicht weiter schlimm) und lange unerkannte (viel schlimmer) Agenda die Auswahl und Bevorzugung von Themen beeinflusst hatte.
Auch Google ist in einer solchen Machposition.

Wieso wir mehr Social Media brauchen

Ich denke, dass das eigentliche Problem die Konsolidierung von so vielen verschiedenen Bereichen, Gesellschaftsgruppen und Interessengebieten auf einer Plattform wie Facebook ist. Denn das führt in Versuchung, damit Geld zu machen. Eventuell wären gewisse, leicht erkennbare Abteilungen eine Lösung. Facebook international, national, regional.

Oder eben mehr Social Media Konzerne. Denn wenn es mehr Portale geben würde, würde eine gegenseitige Kontrolle stattfinden.
Käme es zu Skandalen, würden User abwandern. Oder man müsste die Beweggründe hinter den Entscheidungen erklären. Das wäre transparent.
Im Moment ist das nicht gegeben, oder weißt du, wie und warm der Algorithmus deinen Feed sortiert?

Cheers.

PS:
Was auch problematisch an komplett individualisierten Feeds ist, ist dass wichtige übergreifende Themen schwerer zur Sprache kommen. Schaust du dir ausschließlich Fußball-Zusammenfassungen und Dino-Dokus bei Youtube an, verhindert der Algorithmus eventuell, dass du für das Thema „Gleichberechtigung“ sensibilisiert wirst.

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