Lateral

Heute soll es sonnig werden.

Die Strecke hab ich gestern Abend nochmal neu geplant. Mehrmals.
Die Balance zwischen „Nicht zu viele Feldwege“ und „Bloß keine Straßen“ ist nicht einfach zu finden.
Irgendwann habe ich aufgegeben und mir gedacht: Ich werd’s schon merken.

Ich habe mir eine lange Strecke vorgenommen und freue mich auf das Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Wenn auch nur kurz, bedeutet es das mittlerweile für mich:
Alltagsabenteuer.

Keine Lebensgefahr, aber auch die Gefahr, so richtig in die Scheiße zu greifen und 2 Stunden entfernt vom nächsten Bahnhof einen Platten zu haben.

Doch als ich in die Pedale trete und fröstelnd in den Sonnenaufgang fahre, fange ich an über meine Motivation nachzudenken.

Ich habe das Gefühl, dass ich lange versuchte, „voran“ zu kommen.
Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass das Streben nach Fortschritt nicht alles ist. Es gibt doch noch Wichtigeres als das Vorankommen.
Nur was?

Während ich fahre, denke ich an all die Menschen, die ich auf meiner Reise kennengelernt habe. Nicht auf dieser Fahrradtour. Sondern auch im Leben.
Freunde. Ex-Freunde. Kollegen. Menschen in deren Geschichte ich der Bösewicht bin.

Sie alle geben mir das Gefühl, dass ich Teil einer Gemeinschaft bin.
Ein Netzwerk von Geschichten, Leben und Menschen, die sich auf eine Weise miteinander verbinden, welche mehr Bedeutung hat, als es „Vorankommen“ je haben könnte.

Ich bin eine Geschichte verbunden mit vielen anderen Geschichten.

Mittlerweile ist es so warm, dass mir kalt wird.
Ich hab zu viel an. Nass geschwitzt. Jetzt muss ich erst Recht schnell fahren. Aber ist das nicht auch dieses „Vorankommen“? Scheiße.
Mit Absicht bleibe ich stehen und höre den Vögeln zu. Feldlärche. Specht. Amseln. Viel mehr kenne ich auch gar nicht.

Ist es denn wichtig, wie schnell ich vorankomme? Oder wie weit ich fahre? Das hier soll mein freier Tag sein. Abenteuer. Keine Bestleistung auf vertikaler oder horizontaler Ebene.

Grübelnd fange ich wieder an zu rollen. Wie weit es noch ist, interessiert mich nicht. Stattdessen versuche ich, meine Umgebung zu genießen und irgendwie eine Verbindung aufzubauen.

Klappt nicht. Weil ich derjenige bin, der immer wieder „weg“ fährt.

Als ich langsam die Gegend meines Ziels erkenne fühle ich mich erfüllt und schlapp. Aber auch irgendwie „klar“.

Nicht die Fortbewegung ist es. Nicht das Klettern auf irgendwelchen Leitern oder das Schaffen von Bestleistungen ist mein Ziel. Sondern die Verbindung zu meinem Mitmenschen. Zur Umwelt.
Das Gefühlt von „ah. das hier kenne ich“.

Nicht Vertikal.
Nicht Horizontal.
Lateral: Stehen bleiben und sich verbinden

Mit der Umgebung verbinden, den Menschen in ihr und sich in die Geschichten begeben, die dort erlebt werden können.

Entspanntes Wochenende! 🙂

2 Antworten auf „Lateral“

Bin gerade am Kanal joggen und genieße den Mix aus Puls in die Höhe treiben und der äußeren Ruhe. Kein Ziel, einfach Zeit für mich, mit Musik in den Ohren😊 lieb den Kanal dafür.

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